Das Treppenhaus – Die Perle im Wurzacher Schloss
Das Treppenhaus im Haupttrakt ist der prächtige Mittelpunkt des Wurzacher Schlosses. Die Idee dafür ging wohl auf einen genialen italienischen Baumeister zurück, der seinen Palästen und Villen durch die offene Form eine neue Tiefenwirkung verlieh.
Der Treppenaufgang entstand noch im Spätbarock, dem Rokoko. Das im oberen Geschoss sich ausprägende ruhige Ellipsenspiel deutet bereits auf das nahende Empire, den Zopfstil, hin.
Das Erdgeschoss
Das Treppenhaus schwingt sich in einem eleganten Bogen nach oben und überwindet raffiniert eine beträchtliche Höhe. Auf der ersten Etage treffen sich die beiden Treppen und schwingen sich dann in einem neuen Bogen auf die zweite Etage.
Die Säulen, der Schmuck täuschen eine überquellende Pracht vor. Etwa auf halber Höhe der ersten Treppe befinden sich zwei Riesen-Halbfiguren, die auf ihren Schultern das Treppengewölbe tragen – so genannte Atlanten. Der griechischen Sage nach trug der Riese Atlas das Himmelsgewölbe.
Über den Türen rechts und links sind Glasbilder mit den Inschriften: „Defende nos in proelio, St. Michael“ (Verteidige uns im Kampfe, Hl. Michael) und „Jesus Christus, Dei filius, Salvator“ (Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland) zu sehen. Das weist auf die Salvatorianer hin, die dieses Schloss 1924 für eine Lateinschule erworben hatten. St. Michael ist ein Patron des Ordens und von dem Wort Salvator stammt der Ordensname Salvatorianer.
Erste Etage
Auf dieser Etage befand sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine große Gemäldesammlung. Etwa 1400 Bilder wurden hier ausgestellt. Auf diese Kunstsammlung weist auch das Deckengemälde hin: die Verherrlichung des Herkules. Die Kunstsammlung wurde um 1800 vor den Franzosen und Napoleon gerettet und später verkauft. Darunter der so genannte „Wurzacher Altar“ von Hans Multscher aus Reichenhofen, der heute in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen ist.
Gegenüber befindet sich der Wintergarten, in dem die herrschaftliche Familie den Konzerten beiwohnte.
Die Akustik ist im Treppenhaus wunderbar. Deshalb werden hier im Sommer viele Residenzkonzerte gegeben.
Zweite Etage – Das Deckengemälde
Im Mittelpunkt des Deckengemäldes steht die Herkules-Sage mit der Botschaft: Der Mensch, der durch seine Anstrengung und seinen Kampf die Natur vollendet, kommt dem göttlichen Glanz näher. Herkules sitzt auf dem Wagen, mit der Keule in der Hand. Seine Kutsche wird von zwei schönen Pferden gezogen und von Eos, der Göttin der Morgenröte, gelenkt.
In der Mitte des Bildes thront Zeus, der Göttervater des Olymp. Ein blauer Umhang umhüllt ihn. In der Hand trägt er das Herrscherszepter, links neben ihm sitzt sein Wappentier, der Adler.
In einem weiten Bogen hat der Künstler den olympischen Hofstaat, die Göttinnen des Olymp, gemalt. Ganz links: Die Frau im grün-lila Gewand mit einem Helm auf dem Haupt und einer Lanze in der Hand ist Athene, die Stadtgöttin von Athen. Sie ist die Göttin der klugen Kriegsführung und der Künste. Über ihr auf einem blauen Tuch erblickt man die Göttin der Liebe, Aphrodite (oder bei den Römern Venus).
Ein rötliches Gewand trägt Hebe, die Göttin der Jugend. Mit ihr wird Herkules vermählt. Die Frau über dem Haupt des Zeus ist die Göttermutter Hera. Diese beiden Frauen haben einen Pfau als ihr Wappentier bei sich.
Die Göttin ganz rechts mit dem Bogen und dem Halbmond auf der Stirn ist Artemis, die Göttin der Jagd. Auf der rechten Seite ist ein gewaltiger Mann von hinten zu sehen. Er hat einen mächtigen Amboss neben sich, und ein paar Gesellen helfen ihm bei seiner Arbeit. Das ist Hephaistos, der Götterschmied.
Zwischen den Pferdeköpfen und der Götterschmiede schüttet eine Frau aus einem Füllhorn Blumen und Früchte auf die Erde. Das ist Amalthea.
Ganz im Hintergrund scheinen dunkle Gestalten fast aus dem Bild herauszufallen. Dieses Gewimmel stellt den Titanensturz dar. Zeus hatte diese Urgötter vom Thron gestürzt und selbst die Herrschaft auf dem Olymp übernommen.
Zurück zur Bildmitte, zu Zeus. Links von ihm schwebt eine Wolke, wenn man genau hinschaut, sieht man ein Bein in eisernen Schienen und daneben ein riesiges Schwert mit seinem Griff. Das ist der Kriegsgott Ares/Mars.
Rechts von Zeus befinden sich zwei Gestalten, die etwas heller gemalt sind. Der Mann, der zu Zeus hinblickt, trägt einen geflügelten Helm und einen Stab in der Hand. Das ist der Götterbote Hermes. Ein wenig unterhalb sehen wir einen alten Mann mit einem Dreizack: Poseidon, der Meeresgott. Wenn er den Dreizack in das Meer stößt, dann braust das Wasser auf, und die Schiffe kommen in Seenot.
Links von Zeus: Ein alter Mann mit einer Sense in der Hand trägt ein kleines Kind auf dem Arm. Das ist Kronos, eine Urgottheit, der Vater des Zeus. Ein Orakel hatte ihm gesagt, dass eines seiner Kinder ihn vom Thron stürzen werde. Deshalb hat er alle Kinder, die ihm geboren wurden, sofort wieder verschlungen. Das Kind hält die Hand in seinen Mund. Die Zeit kommt und vergeht, wird geboren und verschlungen.
In der Nähe der Liebesgöttin Aphrodite sehen wir einen hübschen kleinen Jungen, der einen Vogel trägt: Ganymed, der Mundschenk der Götter. Die Götter waren ganz vernarrt in diesen hübschen Knaben, so dass sie ihn zu sich in den Olymp holten, wo er an der Tafel der Götter bedienen darf. So fällt dem einen Menschen (Ganymed) die himmlische Herrlichkeit wie ein Geschenk zu. Der andere (Herkules) muss durch ein langes mühevolles Leben dieses Glück erringen.
Seitenwände links: zwei mächtige Tafelbilder stellen zwei Taten des Herkules dar. Rechts tötet er den Zentaur, einen Pferdemenschen, der Kraft und Verstand vereint, links überwindet er die siebenköpfige Hydra, eine Wasserschlange. Die Frau neben ihm mit den drei Pfeilen ist Detaneira, seine irdische Gemahlin.
Das gemalte Geländer um das Deckengemälde stellt die schönen Jahreszeiten dar mit den Früchten der Erde: Getreide und Trauben, Brot und Wein. Das Treppenhaus ist mitten in das Schloss hinein gebaut. Der Künstler des Deckengemäldes täuscht nun vor, es hätte Fenster auf allen Seiten. Die Damen, die hereinschauen, sind wohl die Künste, die Musen. Die Dame ganz links könnte die Musik verkörpern, sie trägt eine Handtrommel.
Über den Türen links und rechts sind zwei Zitate zu lesen, die auf Herkules hinweisen: Horaz: „Nil sine magno labore vita dedit mortalibus“ (Das Leben gibt den Menschen nichts ohne große Mühe) und Cicero: „Gloria virtutem tamquam umbra sequitur“ (Der Tugend folgt der Ruhm wie ein Schatten).